Wir haben uns ein Segelboot gekauft, und sind damit 6 Monate um die Ostsee gesegelt!

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2018 sind wir mit einer 40 Jahre alten 
Neptun 25 in den Segelsport wieder neu eingestiegen. Keiner von uns beiden hat damals gedacht, wie sehr wir uns mit dem Segelvirus infizieren würden. Aus der Idee ein paar Auszeiten am Wochenende zu genießen, wurde eine Leidenschaft. Aus der Leidenschaft erwuchs ein Traum...

Wie alles begann:

Fast jeder hat wohl in letzter Zeit von der Atlantiküberquerung von Greta Thumberg in einem Rennsegelboot gehört oder vor wenigen Jahren die spektakuläre Diskussion um die Solo-Weltumsegelung der 15 jährigen Holländerin Laura Dekker verfolgt.

Segelsport hat einerseits den Ruf des elitären Sports für Superreiche, die mit riesigen Yachten, ihren mehr oder weniger hart erarbeiteten finanziellen Erfolg zur Schau stellen. 
Dann gibt es die, die mit einem alten jahrelang aufgearbeiteten Boot fast ohne finanziellen Hintergrund aussteigen. 
Allen gemeinsam ist jedoch der Wunsch, sich nur mit der Kraft der Natur neue Ziele zu erschließen. 
Einige sagen, dass es ein Segelvirus ist, der nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht heilbar ist.

Das Befahren großer Weltmeere unter Segeln mit einem kleinen Boot scheint der Menschheit im Blut zu stecken. Das ist etwas Verwegenes, Abenteuerliches und nicht zuletzt auch Gefährliches, bei dem es darum geht, Neues zu entdecken aber auch eigene Grenzen zu erfahren.

Ich empfinde den Segelsport vor allem im Tourensegeln auf längeren Törns auch als kulturelle und soziale Bereicherung. In den Yachthäfen trifft man zwangsläufig Menschen der unterschiedlichsten Nationen und Kulturen oder sozialen Hintergründen, die eines verbindet: 
Die Liebe zur See und zur Auseinandersetzung mit der Natur und Technik. 
Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Boot Hunderttausende gekostet hat oder ob man einen alten Kahn mühsam über Wasser hält.
 

In Seglerkreisen gibt es den Begriff: „Gute Seemannschaft“ .

Damit ist nicht nur gemeint, dass man ein Schiff sicher beherrscht, sondern auch, dass an Bord im Hafen und auf dem Wasser die Regeln von organisiertem Handeln, Rücksicht und Höflichkeit beachtet werden.

Wie schön wäre es, wenn sich diese Regeln auch im Straßenverkehr oder anderswo wiederfinden würden! 

Vermutlich war es irgendwie unausweichlich, dass ich zum Segelsport gekommen bin. Infiziert war ich wahrscheinlich schon mit 10 Jahren.
Ich hatte es nur vergessen. 
Mein Onkel aus Hannover hatte auf dem Steinhuder Meer zunächst eine Jolle, auf der ich mal mit durfte, später ein 9m langes Holzkajütboot, dass ich leider nur von Fotos kannte, denn es wurde nach kurzer Zeit verkauft weil es sich zeitlich und finanziell als Fass ohne Boden herausstellte.

Für mich war aber klar: So ein Boot will ich auch mal haben und damit unterwegs sein. Es gibt ja auch Kunststoffboote, die weniger aufwändig im Unterhalt und Pflege sind.

20 Jahre später lernte ich in Hamburg meine zukünftige Frau Iris kennen. 
Sie arbeitete beim dortigen Otto-Versand. 

Otto lebte die hanseatischen Prinzipien auch in der Hinsicht, dass es für die Mitarbeiter auf der Alster am prestigeträchtigen HSC, wo sich die Hamburger Prominenz gerne sehen lässt und am Schweriner See, Boote für Betriebssportmitglieder zur Verfügung stellte. 

Ab sofort wurden die Wochenenden auf dem Wasser verbracht.

Iris hatte bereits die üblichen Boots-Scheine. Die wollte ich auch machen. 
Der Sportbootführerschein wurde in einer etwas fragwürdigen offenen Barkasse im Hafen Tiefstack gemacht. 
Der Theorieteil war vorher noch schnell gemacht worden. Anspruchsvoller war dann der Sportküstenschifferschein (SKS). Tiden- und Strömungstabellen, Kursberechnung, Kompassabweichung da raucht das Hirn nach langer Zeit mal wieder so richtig. 

Zusätzlich mussten noch 300 Seemeilen Praxis nachgewiesen werden.

Der Ausbildungstörn mit anschließender Prüfung an Himmelfahrt 1999 von Heiligenhafen bis in die Dänische Südsee und zurück, hatte von Sturm bis Flaute alles dabei. 
Bis dahin war ich auch davon ausgegangen, dass mir mit meinem heideparkerprobten Magen niemals schlecht werden könnte, was sich dann doch als Irrtum herausstellte.

Mitten in der Nacht reißt mich das Kommando: “Mann über Bord! Alle Mann an Deck!“ aus der Koje. Klamotten an. Jetzt muss es schnell gehen! 

Das intensive Üben am Vortag hatte meine Mitseglerin bis in den Schlaf beschäftigt und so wurde die Mannschaft im Traum herausgeschrien. 
Falscher Alarm!

Die Prüfung lief dank der guten Vorbereitung dann locker durch. Knoten, wenden, halsen, Ortsbestimmung, Mann-Über-Bord-Manöver - fertig.

Jetzt konnte ich also alles fahren, was auf dem Wasser bewegt wird, solange es ein Sportboot ist und nicht kommerziell genutzt wird.

Habe ich damals gedacht….

20 Jahre dauerte die Segelpause, denn andere Dinge waren wichtig:
Heiraten, Haus, Familie, beruflicher Wechsel vom Vertrieb in die Netzkundenteamleitung, Trennung, neue Liebe, zusammenwachsen der Patchworkfamilie.

Als Abteilungsleiterleiter in der Netzkundenbetreuung bei dem Norddeutschen Enegienetzbetreibers Avacon, mit 3 Standorten, über 30 Mitarbeitern in unterschiedlichen Themenbereichen gab es täglich neue Herausforderungen. Das machte einerseits Spaß brauchte aber einen guten Ausgleich. 

Da wäre doch Segeln die für mich die perfekte Entschleunigung!

Meer und Strand und das Gleiten durch Wasser. 
Allein der Gedanke daran beruhigt die Nerven.

Hatte ich auf der Hamburger Messe HanseBoot nicht einmal von einem eigenen Schiff geträumt? 
Das war über 20 Jahre her. Und so fing die Spinnerei an…

Ich habe meiner Frau Elke davon erzählt.
Kurze Zeit später kam sie mit der Nachricht, dass jemand aus Ihrer Wassergymnastikgruppe ein Segeboot verkauft. Steht bei ebay-Kleinanzeigen…

Neugierig gucke ich mir die Bilder an: 40 Jahre 7,50 m lang 2,50 m breit Hubdach (das gibt es auch bei Booten?) für Stehhöhe im Rumpf, trailerbar, Liegeplatz Müritz.

Das war ja genau das richtige Ding zu richtigen Zeit. Denn eins war mir schon klar: Mit der wenigen Praxis, die auch noch lange zurückliegt nützt mir mein tolles Schifferpatent überhaupt nichts.

Damit habe ich eine Befähigung aber nicht das nötige Können. 
Zumal ich in der Lage sein muss, Alles alleine zu bewältigen. Meine bessere Hälfte ist zwar begeisterungsfähig aber hat vom Segeln überhaupt noch keine Ahnung. 
Das, was ich noch weiß und kann, versuche ich ihr also noch beizubringen.

Ein Schiff in der Größe lässt sich noch recht einfach handhaben. 
Zudem ist das finanzielle Risiko minimal, wenn wir feststellen, dass ein Boot doch nicht die richtige Entscheidung ist.

Letztlich wurde es dann mit dem Boot an der Müritz doch nichts, denn ein gleichartiges wurde zu selben Zeit in der Nähe von Kappeln angeboten. Das war noch seetauglicher ausgestattet und hat zusammen mit dem Trailer rund 5.000 Euro gekostet. Da musste man nicht lange überlegen.

Außerdem ist das Boot ja noch transportabel und man könnte es jederzeit an andere Reviere bringen.

Ein Irrtum, wie sich herausstellte, als wir das Boot in das Winterlager zu uns nach Hause überführten.

Ich war viel mit Motorrad-Anhänger unterwegs gewesen, aber das war eine andere Nummer! 
400 km über holprige Autobahnen und Landstraßen. 
Mit dem verladenen Boot hat das Gespann einen ziemlich hohen Schwerpunkt, und hat bei dem 1,5 fachen Gewicht des Zugfahrzeugs eine Tendenz zum Aufschaukeln. 
An die erlaubten 80 km/h ist kaum zu denken.

Nach 7 Stunden ist die Scheune im Nachbardorf, die als Winterlager und Werkstatt dienen soll, erreicht. Das Geschoß passt allerdings nicht durch das Tor!

Mit gelegtem Mast waren wir über 4 m hoch! 
Das hatte ich nicht nachgemessen. 
Mir schoss spontan die Verkehrsmeldung: „ Stau vor dem Elbtunnel durch Auslösung der Höhenkontrolle“ durch den Kopf. 
Da hatten wir also noch Glück gehabt.

Durch Kürzung der Mastauflage  um 50 cm wurde das Problem mit dem Tor gelöst.

Ein Winter voller Arbeit lag vor uns.

Das sog. Unterwasserschiff wurde von altem Antifouling befreit und neu mit Grundierung  und Antifouling aufgebaut. Es wurde poliert, verkabelt, gelötet, geklebt und gestrichen. Anfang April wurde der Kahn dann bei teilweise Schneeregen an die Flensburger Förde gekarrt.  
Das war überhaupt nicht nachahmenswert. Aber der Krantermin stand fest.

Das Boot hatten wir zum Ende der vorherigen Saison übernommen. 
Viel Zeit zum Ausprobieren gab es nicht, denn der Super-Sommer 2018 neigte sich dem Ende zu. Eine Woche Urlaub auf dem Boot war dennoch drin. 
Die erhofften Schwachwinde blieben aus, um das Boot richtig kennen zu lernen. Und so haben die ersten Ausfahrten bei zu viel Wind schnell aufgezeigt, dass es noch viel zu lernen gab. Die Segelbedienung klappte überhaupt nicht richtig - im Boot flog alles hin und her.

Keine idealen Bedingungen, meine Frau von der Entspanntheit des Segelns und der Sicherheit das Bootes zu überzeugen. 

Es heißt: Ein Boot muss man sich ersegeln. Das stimmt. 
Denn jedes ist anders ausgerüstet und reagiert anders. Mein letzter Törn lag zudem 20 Jahre zurück auf einem Boot das mehr als doppelt so groß war und wo wir uns die Manöver mit 6 Leuten teilen konnten. 
Es gab aber rasche Fortschritte.

Im Sommer 2019 haben wir dann die ersten Touren „rund Alsen“, „rund Fünen“ und zu den dänischen Inseln gemacht. 

Dabei wurden wir vor ständig neue Herausforderungen gestellt: 
In den Mast steigen, weil ein Want (ein Drahtseil, das den Mast stabilisiert) sich gelöst hatte. 

Ziele die sich nicht erreichen ließen, weil der Wettergott es anders meint und plötzlich mit üblen Böen kommt. 

Ein Gewitter, dem man gerade so entkommt. Oder 10 Stunden im Regen bei Welle und Gegenwind gegen die Strömung durchgeschüttelt werden. 

Ein gerissenes Segel darf natürlich auch nicht fehlen. Ganz zu schweigen, von Kleinigkeiten, die im Laufe der Zeit über Bord gingen:  ein Fender, der Adenauer (Flagge), ein Duschsack, eine Winschkurbel, ein Sitzpolster. Alles Dinge, die Neptun gut gebrauchen kann.

Ankern in einsamen Buchten entschädigt. Beim Reinquetschen in überfüllte Häfen sind wir mit dem kleinen Boot im Vorteil und genießen einen Welpenfaktor. 
Der Motor, der an Verstopfung leidet und daher kurz vor dem geplanten Anlegemanöver den Dienst quittiert jagt den Puls nach oben.

Ein Reparaturversuch noch vor Anker scheitert wegen der üblen Schaukelei. Unter Segeln ankern, war die Lektion, die bei dieser Gelegenheit gelernt wurde, ebenso wie das Einlaufen und Anlegen im Hafen unter Segeln, was mit einer kleinen Jolle schon gekonnt sein will. 

Selbst mit unserem kleinen Schiff musste der erste Versuch klappen, denn bei Starkwind kann man da von Hand nichts mehr korrigieren.

Ständiges Reparieren gehört bei einem alten Gebrauchtboot dazu. Erst im ruhigen Hafenbecken war nach 2 Stunden der Fehler gefunden. Dieselgestank inklusive.

Der besten Mitseglerin von allen muss man dabei in allen Situationen grenzenlose Zuversicht vermitteln. 

Es sind diese Situationen, denen man sich nicht entziehen kann, die auch herausfordernd und reizvoll sind. 
Stolz blicken wir uns dann hinterher in die Augen, und ich sage mit einem Zwinkern: Was sind wir doch für Teufelskerle! 
Das scheint auch der Partnerschaft gutzutun. 
Ich habe das große Glück eine Frau zu haben, die mit mir im wahrsten Sinne durch Dick und Dünn geht. 
Auch zu zweit ist Segeln ein Mannschaftssport. 
Für die einen ist allerdings das Einhandsegeln, also allein mit dem Schiff unterwegs, das Größte. 

Aber alleine, darüber bin ich mir im Klaren, wären diese Erlebnisse nicht von gleicher Bedeutung. 
Das gemeinsame Erleben und Teilen ist am Ende das Schönste.

Wir genießen die Freiheit, spontan zu entscheiden, wohin wir wollen. 
Wir sind in gewisser Weise für eine Weile autark, denn wir haben für mehrere Tage alles dabei, was wir brauchen um nicht an Land gehen zu müssen. 
Mit etwas Glück werden wir von Schweinswalen begleitet, die um das Boot schwimmen wie kleine Delfine. 
Wenn sowas vorkommt bin ich einfach nur begeistert zu sehen, mit welcher Leichtigkeit sie sich durch das Wasser bewegen. Flipper lässt grüßen. 

Beim Reisen unter Segeln sind wir langsam unterwegs, bestenfalls im gemütlichen Joggingtempo. 
Entfernung wird ganz anders wahrgenommen. 
Es geht nicht darum möglichst schnell von A nach B zu kommen. 
Abends den Anker werfen und eine Nacht abseits allen Geschehens zu verbringen, morgens ein einfaches Frühstück, nach dem Sonnenaufgang an Deck und in der freien Natur zu genießen - das ist ein Privileg. 

Das Ankommen in einem neuen Hafen ist jedes Mal aufregend, denn wir wissen nie genau, ob wir einen passenden Platz vorfinden und was uns sonst noch erwartet. 
Gerade in Dänemark sind die kleinen Inseln echte Idyllen mit Dörfchen wie Puppenstuben, manchmal mehr, manchmal weniger touristisch. 
Und wenn wir in einem kleinen Hafen wie Drejö Gamlehaven festmachen, haben wir sogar das Gefühl, seit langem die ersten Menschen zu sein, die hier mal wieder vorbeischauen.

Wenn ich nach dem Ablegen den Motor ausmache und nur noch das Rauschen des Wassers und des Windes zu hören ist, weiß ich, das ist die schönste Art mit Windenergie zu reisen.

Einzig das Wetter und das Urlaubsende sind die limitierenden Faktoren, die bei der Planung unbedingt berücksichtigt werden müssen.

Wer das hier liest...

 In der Mitte des Lebens in ein großes Abenteuer.
So stellen wir uns unser Sabbattil vor. 
Noch einmal im Leben auf das Ungewisse einlassen. 
Davon möchten wir berichten. 

Mit dieser Website nehmen unsere Familie und unsere Freunde mit auf diese Reise, die uns sicher verändern wird.